Rudern für Anfänger (Artikel aus der WAZ vom 17.04.2015)

  • 17. April 2015

Noch bevor alle hintereinander in dem schmalen, langgezogenen Boot sitzen, sind wir schon beim Du. Schließlich geht es darum, im Team voran zu kommen. „Ab jetzt seid ihr aber nur noch Nummern. Beim Rudern ist das so“, sagt Steuermann Carsten Schwolow, während er sich vorne, am Bug des Dreiers aufbaut.

startUnd dann geht’s auch schon los. Es sieht so einfach aus, wie Nummer Drei – Karin Rüttgers – und Imke Kohrt – die Nummer Eins – ihre Skulls im Takt durch das Wasser ziehen und sich das Boot immer weiter vom Steg des Weseler Yachthafens entfernt. Rudern – „das ist ein absoluter Teamsport, bei dem man unkompliziert mit Leuten zusammenkommt. Und das ist auch das Schöne daran“, findet Karin Rüttgers. Vor neun Monaten hat die 55-Jährige bei der Ruder- und Tennisgesellschaft Wesel (RTGW) damit angefangen – aus Liebe zu Lebensgefährten Carsten Schwolow. „Aber auch, weil ich beruflich viel im Büro sitze. Ich muss etwas für meinen Körper tun.“ Rudern sei der perfekte Kraft- und Ausdauersport, erklärt Schwolow. Denn dabei trainiere man nicht nur so gut wie alle Muskelgruppen, sondern auch das Herz-Kreislauf-System. „Beim Rudern werden die Gelenke entlastet. Deshalb ist es gerade auch für Menschen mit Rücken- oder Knieproblemen geeignet.“ Schwolow selbst hat als Schüler angefangen. „Unser Direktor war 1936 Steuermann bei der Olympia-Mannschaft, da lag es nahe, dass er den Rudersport an unserer Schule fördert.“ Carsten Schwolow blieb dran, heute ist er Vorsitzender des RTGW.

So leicht, wie es bei den zwei Mitstreiterinnen im Boot aussieht, ist das Rudern dann am Anfang aber doch nicht: Ständig kommen sich die Arme in die Quere; mal liegt der rechte, mal der linke Skull nicht richtig im Wasser. Und war das jetzt Steuerbord oder Backbord? Auch ganz ohne Vokabeln zu lernen geht es nicht. „Keine Sorge, das ist ganz normal“, beruhigt Karin Rüttgers. „Rudern ist eben auch Gehirngymnastik, man muss ständig koordinieren. Es fordert mental, am Anfang ist nach kurzer Zeit die Konzentration weg. Und am Ende ist man völlig ausgepowert…“Und dann will man immer mehr. Vor Kurzem hat Karin Rüttgers ihre erste Wanderrudertour gemacht. Was gemütlich klingt, ist in Wahrheit sportliche Höchstleistung: Von Dorsten aus ging es über die Lippe Richtung Krudenburg und Hünxe, weiter nach Wesel und dort an der Lippemündung in den Rhein bis zum heimischen Yachthafen. 40 Kilometer lang. „Da kommt man schon ins Schwitzen.“ Auch wenn man beim Wanderrudern längst nicht an das Schlagpensum der Rennruderer heran kommt. Etwa 40 Schläge pro Minute macht so ein Team. Bei der 2000-Meter-Regatta – die entspricht der olympischen Distanz – kommen die Sportler auf etwa sechs Minuten. „240 Schläge, bei jedem einzelnen zieht man sein eigenes Körper- und das anteilige Bootsgewicht“, weiß Carsten Schwolow. „Um die 100 Kilo können das schon mal sein.

Mit etwa 60 Kilo ist unser Boot auch kein Leichtgewicht. Schon das Tragen zum Steg – natürlich in Teamarbeit – geht in die Arme, dafür bewegt es sich auf dem Wasser umso geschmeidiger. Die Segelboote und Yachten im Hafen lassen wir links liegen, rechts ziehen Wiesen und noch kahle Pappeln vorbei. Und dann schießt ein Vogel neben dem Boot ins Wasser, mit einem dicken Fisch im Schnabel schwingt er sich zurück ans Ufer. Die niederrheinische Landschaft sei ein Paradies für Ruderer, findet Imke Kohrt. „Die Strecke den Rhein entlang, runter bis zur Bislicher Insel in Xanten ist wunderschön. Wenn da die großen Schiffe an einem vorbeiziehen und die Sonne gerade untergeht – das ist atemberaubend.“ Und Wesel sei eine optimale Ausgangsbasis zum Rudern: „Wir haben den Rhein und den Auesee. Das ist schon etwas Besonderes. Welche Stadt hat noch einen See und ein Fließgewässer so nah beieinander? Und wenn’s mal regnet? „Auch im Regen kann man Rudern“, sagt Carsten Schwolow. Nur im Winter, wenn es draußen friert, bleiben die Boote drinnen. Ausgleichsprogramme können dann helfen, nicht aus der Übung zu kommen. Zum Beispiel auf dem Ruderergometer. Den Gedanken an schlechtes Wetter schieben die Ruderfreunde schnell beiseite. Jetzt startet erstmal die Rudersaison. Und dann frühmorgens durch die Nebelschwaden mit dem Boot über den Auesee gleiten. „Wenn es windstill und der See ganz ruhig ist, fühlt sich das wie Fliegen an“, schwärmt Carsten Schwolow. Vor zwei Jahren ist der 53-Jährige aus Düsseldorf nach Wesel gezogen und hat hier die perfekte Kulisse für seine Rudertouren gefunden. Und will auch andere dafür begeistern, vor allen Männer und Frauen ab Mitte 40. „Leute, die sich die Zeit nehmen wollen, neben dem Job etwas für ihren Körper zu tun.“ Die Voraussetzungen dafür? „Eine gewisse Grundbeweglichkeit muss da sein“, betont Carsten Schwolow. „Wer 20 Kilometer mit dem Fahrrad fahren kann, der kriegt das auch mit dem Rudern hin.“

Christiane Kathrin Dase, aus der WAZ vom 17.04.2015

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